Dienstag, 19. Februar 2008

Underground-Bands in Teheran

Ein Bericht von ZEIT online, 13.8.2005

Düster, depressiv, kritisch sind Heavy Metal und Rap im Iran. ZEIT online gibt einen Überblick in Musik- und Videofiles (von Kambiz Tavana)

Im Sommer 2001 wurde ich erstmals zu einem Konzert von Underground-Musikern in Teheran eingeladen. Die Heavy Metal Band Damoon J hatte beschlossen, ihr Idol zu ehren: Chuck Schuldiner, den Gründer von Death, der damals mit einem Gehirntumor kämpfte. Die Band spielte ein Programm mit Cover-Versionen von Death, Iron Maiden und Metallica; das Konzert fand in einer kleinen Halle vor 60 Zuschauern statt, Headbanging und Mitsingen inklusive. Einen Teil der Erlöse überwies die Band danach an Schuldiner und schickte ihm auch ein Video.

Video von Kahatamyan:



Ja, es gibt eine Underground-Szene in Iran. Doch diese Musik wurde aus religiösen Gründen nie als künstlerischer Ausdruck geduldet. Unter bestimmten Auslegungen verbietet der Islam sowieso jede Musik, die Freude ausdrückt. Zwar gibt es auch Kleriker, die da weitherziger sind, aber bis vor gut zehn Jahren sahen viele junge Musiker keine andere Möglichkeit, als ihr Talent an religiösen und mystischen Inhalten zu versuchen, um überhaupt auftreten zu dürfen. Gleichwohl, mehr als ein Konzert musste abgebrochen werden, weil das Publikum sichtlich Spaß hatte oder gar mit den Händen klatschte.

Mit dem Amtsantritt des reformorientierten Präsidenten Chatami im Jahr 1997 änderte sich dann einiges, und die junge Generation Irans lernte, ihre Rechte wahrzunehmen. Dubai beispielsweise liegt nicht weit entfernt, und wenn dort Konzerte stattfinden, reisen iranische Jugendliche in Scharen dort hin. So bestand das Publikum im Dubaier Konzert 2002 von Roger Waters überwiegend aus Iranern. Auch die Entwicklung von Heavy Metal in der Türkei wird sehr genau verfolgt - meist über das (verbotene) Satellitenfernsehen. Die digitale Audiotechnik, einschließlich des Brennens von CDs, wird ebenfalls genutzt.

Underground-Musik im Iran verfolgt allerdings ein anderes Konzept als diejenige im Westen, wo sich Heavy Metal und Trash Metal gewissermaßen als außerhalb der Gesellschaft stehend wahrnehmen. Im Iran hingegen steht dahinter eine ganze Gedankenwelt, eine Philosophie, und gerade die Gebildeten sind an dieser Musik interessiert, weil sie in ihr einen Ausdruck von Bewusstsein sehen. Auf Teherans Underground-Bühnen finden sich Intellektuelle und Ingenieure, Schriftsteller und Ärzte, die in die Gitarrensaiten dreschen.

Im folgenden ein paar Beispiele aus der Teheraner Underground-Szene.

Video von Hich Kas ft. Reveal: Tirippe Ma:



Zunächst ein Video von einem privaten Konzert der Band Kahatamyan sowie ein Auszug aus ihrer CD. Kahatamyan spielt nur Instrumentals und hofft, deshalb legal publizieren zu können. Neben denn Heavy Metal-Bands hat sich auch eine Rap-Szene entwickeln können, inspiriert von dem Film 8miles; über das Leben von Eminem. Die persische Sprache ist sehr flexibel und eignet sich gut zum Rappen. Das vorliegende Video zeigt die Band Hich Kas, was auf Deutsch "Niemand" bedeutet. Es ist mit einer Handy Cam gedreht, und die Digitaleffekte erinnern an Biohazard. Rap im Iran geht inhaltlich weiter als Heavy Metal. Die Texte kritisieren religiöse Zwänge und den Radikalismus, manche sind anzüglich und dreckig; was als Protest gegen die Beschränkungen der gesellschaftlichen Freiheit im Land verstanden werden kann. Viele Texte sind einfach nur düster, sehr traurig, nihilistisch, und auch das drückt Wirklichkeit aus. Das Rap-Video heißt Tirippe Ma, was Slang ist und "So sind wir" bedeutet: Obwohl uns sehr wohl bewusst ist, was wir wissen und was wir nicht wissen, bestehen wir dennoch darauf, selbst zu entscheiden; eine brisante Botschaft.

Zwei weitere Rap-Audiofiles folgen:

Rapper Kami B. präsentiert Leben oder Tod (Marg Ya Zendegi), ein depressives Stück. Der Refrain sagt: "Kein Unterschied zwischen Leben und Tod / Denn jeder ist gegen die Jugend". Das Stück enthält auch eine mystische Botschaft, denn es bittet Gott um Hilfe, und zwar um seine Hilfe und nicht um das, was die Kleriker bieten. Kami B. sagt, er habe das Chaos um ihn herum satt; ihm sei klar, dass er für das Land kämpfe, doch die anderen würden ihn falsch verstehen. Der andere Rap kommt von einer Band namens Sokr, was göttliche Tröstung bedeutet. Sokr kritisiert die Reichen und klagt, dass es ein Desaster für Irans Gesellschaft ist, dass Geld in Wahrheit stärker sei als alles andere: "Geld ist Macht", so lautet der Refrain.

Diese und andere Files kursieren im Land. Underground im Iran ist eine starke und vielfältig Szene. Sie ist im Westen bislang weithin unbekannt geblieben.

Der Autor ist Redakteur der reformorientierten Teheraner Tageszeitung Shargh

Übersetzung aus dem Englischen: Gero von Randow

Downloads:

Video:

Kahatamyan (2.7 MB als wmv)
Kahatamyan (bessere Qualität, 75 MB als mpg)

Hich Kas ft. Reveal: Tirippe Ma (1.7 MB als wmv)
Hich Kas ft. Reveal: Tirippe Ma (bessere Qualität, 50 MB als mpg)

mp3:

Kami B.: Marg Ya Zendegi (Leben oder Tod)
Sokr: Ghodrate Pool (Geld ist Macht)

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