Von Alessandro Topa
Text: F.A.Z., 14.02.2008, Nr. 38 / Seite 42
Arash Sobhani ist eigentlich Architekt. Dass der Siebenunddreißigjährige im Nebenberuf zum derzeit einflussreichsten iranischen Rockmusiker werden konnte, verdankt er seiner Auswanderung nach Kalifornien und den Medien in der Neuen Welt: Das noch in Teheran aufgenommene Debüt seiner Band Kiosk war 2005 das erste Album aus dem iranischen Untergrund, das bei iTunes zu haben war; das zweite Album führt nun seit Monaten die persischen Verkaufscharts im Internet an. Die amerikanischen Konzerte der Band sind ausverkauft - es gibt eine große iranische Diaspora in den Staaten -, die Klicks bei YouTube werden bald die Millionenschwelle überschreiten, und neulich wurde der scharfzüngige Liedermacher sogar nach Stanford geladen, um einen Vortrag zu halten. Thema: Underground-Musik in Iran.
Zwei Jahrzehnte war Sobhani im Teheraner Untergrund aktiv. Zwischen 1980 und 1988, den Jahren des Krieges gegen den Irak, stand das öffentliche Musikleben still. Nicht nur die Teheraner Symphoniker lösten sich auf, selbst traditionelle persische Musik durfte kaum gespielt werden. Doch indem der Klerus Musik zu Teufelswerk erklärte, trieb er die junge Generation in die verbotenen Klangparadiese des Westens. „Als wir 1987 die Band Tatar2 gründeten, gab es kaum Bands. Entsprechend oft wurde ich von den Revolutionswächtern angehalten, weil ich eine Gitarre trug. Es herrschte Krieg, Chomeini war noch am Leben und Iran eher wie ein kommunistisches Land. Es gab natürlich kein Gesetz, das verbot, öffentlich Gitarren zu tragen. Aber die politische Atmosphäre vermittelte einem durchaus das Gefühl, etwas Falsches zu tun.“
„Musik war das Einzige, das vergessen machte, was man täglich erlebte“
Tatar2 machten englischsprachige Protestsongs, die sie bei Hauskonzerten Freunden vorspielten. Bob Dylan und Pink Floyd waren ihre Helden. „Musik war wie Morphium für uns. Wir hassten die Eindringlinge und wollten unser Land verteidigen. Doch zugleich wurden wir - die Mehrheit der Iraner - vom Regime unserer Rechte beraubt, gedemütigt oder gar getötet. Musik war das Einzige, das vergessen machte, was man täglich erlebte: einerseits den Krieg, andererseits die Zerstörung der Gesellschaft.“
Zum Thema
Zu Beginn der Ära des pragmatischen Präsidenten Rafsandschani traten die geburtenstarken, von der Make-Love-and-War-Bevölkerungspolitik des Revolutionsführers Chomeini hervorgebrachten Jahrgänge ins Bewusstsein der Machthaber. Als die Kinder der Revolution nach dem Krieg zu Teenies heranwuchsen, habe die Islamische Republik begriffen, dass sie diesen ein Minimum an Freiheit zugestehen müsse, analysiert Sobhani die Situation um 1990. So begann ein bis heute anhaltender Prozess der politisch kontrollierten Reintegration der Musik ins tägliche Leben einer Bevölkerung, die heute im Durchschnitt vierundzwanzig Jahre jung und dementsprechend musikhungrig ist.
Vor zehn Jahren schossen die Bands wie Pilze aus dem Boden
Für Musiker wie Arash Sobhani hingegen begann der Kampf mit der Zensur. Mitte der neunziger Jahre fing er an, Texte auf Farsi zu schreiben. Er habe versucht, so konservativ wie möglich zu klingen, um mit seiner damaligen Band Raaz-e Shab (Rätsel der Nacht) ein Rock-Album aufnehmen und veröffentlichen zu dürfen. „Ursprünglich wollten wir uns Esm-e Shab (Name der Nacht) nennen, doch das war ein militärisches Codewort. Also mussten wir uns umbenennen. Nach der langwierigen Zensur jeder zweiten Textzeile brauchten wir schließlich nur noch einige Leute im Erschad-Ministerium, dem Ministerium für Kultur und islamische Führung, zu bestechen, um die Veröffentlichungserlaubnis zu erhalten.“
In der Amtszeit des Reformers Chatami schossen die Bands ab 1997 wie Pilze aus dem Boden. Raaz-e Shab zählten zu den Pionieren einer aufblühenden Musikszene und konnten als Erste größere Konzerte vor Tausenden von Zuhörern geben. „Ich erinnere mich an einen Gig, den wir nach den Studentenunruhen vom Sommer 1999 an der Amir-Kabir-Universität hatten. Da konnte ich förmlich sehen, wie aufmerksam die Studenten unseren Texten lauschten. Sie suchten nach dem Rock-Element darin, das sie zum Schreien und Protestieren animiert. Aber die Zensur hatte fast alles weichgespült.“
Wie so vielen Iranern ist auch Sobhani noch immer die Enttäuschung über jenen Mann anzumerken, für den siebzig Prozent der Wähler stimmten, weil er mehr Demokratie versprochen hatte. „Wir brauchten alle eine gewisse Zeit, um zu begreifen, dass die Reformer bloß eine Art demokratische Fata Morgana waren. Anfangs dachten wir, es würde nur noch zwei Jahre dauern, bis wir endlich alles singen können.“ Länger wollte der Sänger und Gitarrist nicht warten. Noch während der Aufnahmen zum zweiten Album von Raaz-e Shab stellte er die Selbstzensur ein und begann, an jenen politischen Liedern zu feilen, für die Kiosk heute berühmt ist. „Ich hatte das Gefühl, endlich die Formel gefunden zu haben, um Farsi mit Rockmusik zu kombinieren. Ich wollte über gesellschaftliche Themen singen und unabhängig von der Mafia in der Musikindustrie sein.“
Zwischen Sakro-Pop und Dancefloor schmachtende Gruppen werden protegiert
Die Günstlinge der üblichen Vetternwirtschaft in der Musikindustrie kennt heute jedes iranische Großstadtkind: in Gestalt verkitschter, zwischen Sakro-Pop und Dancefloor schmachtender Gruppen wie Arian oder Pesaran-e Aftab (Söhne der Sonne). Von Genehmigungen bis hin zu Sendezeit im staatlichen Rundfunk werde solchen Bands alles zugeschoben, erläutert Sobhani. „Die CDs solcher Gruppen werden schnell und flächendeckend vertrieben, so dass man ihre Musik in den entlegensten Landesteilen kauft, während andere Platten selbst in Teheran schwer zu finden sind. Sie werden so protegiert, dass sie in den frommsten Käffern auftreten können.“
In der Tat: Kaum eine Gruppe ist so populär bei Teenagern wie die sechs Jungs und drei Mädels von Arian, die im Jahre 2000 als erste Musikanten seit der Revolution gemeinsam mit dem anderen Geschlecht auf der Bühne stehen durften, wobei weiblicher Sologesang nach wie vor tabu ist. Und wenn Chris de Burgh im Sommer tatsächlich als erster westlicher Rockstar in Iran auftreten wird, wie die Agentur Fars kürzlich meldete, dann wird Arian das Vorprogramm gestalten. Denn der in Iran beliebte irische Troubadix kommt auf Einladung des einflussreichen Managements der Band.
Jeder, der etwas auf seinen Musikgeschmack hält, hört Musik aus dem Exil
Die Existenz selbst solcher Gruppen und Events wäre freilich vor zehn Jahren noch unvorstellbar gewesen. Aber die Einsicht, nicht wirksam eindämmen zu können, was per Satellit oder Internet auf die Bildschirme gelangt, hat das Regime veranlasst, mediale Gegenspieler aufzubauen. Nicht nur gegen den erotomanen Schmalz-Pop aus Los Angeles, wo über 600.000 Iraner in „TehrAngeles“ leben und auf manchen Satellitensendern die Entwicklungspotentiale eines schlechten persischen Geschmacks erkundet werden, sondern auch und gerade gegen die Protagonisten der iranischen Untergrundszene.
Babak Khiavchi hat 2005 das Label Bamahang in Kanada gegründet, um dieser Szene als Plattform zu dienen. „Musik“, so erläutert er diplomatisch, „besitzt eine enorme Macht, soziale und kulturelle Botschaften zu senden. Der Pop aus L.A. hat diese Potentiale jahrelang dem Massengeschmack und dem Geld geopfert.“ Es fällt auf, dass Khiavchi nicht von politischen Botschaften spricht. Wer die Stars des Untergrunds veröffentlicht, der muss vermutlich auch etwas leiser treten. Einige der Künstler, die er unter Vertrag hat, leben wie das populäre Trio Sarakhs nach wie vor in Iran. Andere wie die lyrischen Altmeister O-Hum, Sobhanis Kiosk oder die hochbegabten Reggae-Gören von Abjeez operieren inzwischen von Europa und den Vereinigten Staaten aus. In Iran kennt und hört sie dennoch jeder, der etwas auf seinen Musikgeschmack hält.
„Musik und Bloggen sind die einzigen Ausdrucksformen, die unsere Jugend hat“
„Wir erhalten täglich Demos von iranischen Bands“, berichtet Khiavchi erfreut und besorgt zugleich: „Aber wenn wir eine musikalische Identität gewinnen wollen, dann brauchen wir unverwechselbare persische Elemente in unserer Musik. Die iranische Staatsbürgerschaft der Künstler reicht nicht aus.“ In dasselbe Horn stoßen auch renommierte Online-Magazine wie „Zirzamin“ oder „TehranAvenue“. Dessen jährlicher virtueller Musikwettbewerb ist zu einem Forum des Untergrunds geworden. Dort war jüngst zu lesen, dass „englische Texte noch keine innovative Musik machen“ und die iranische Alltagsrealität „am besten durch die persische Sprache reflektiert“ werde. Das ist vermutlich richtig; den Hunger nach Anerkennung jenseits der persischsprechenden Community stillt es nicht.
Arash Sobhani, dessen diagnostische, sämtliche Register des Persischen nutzenden Texte für viele zum Leitstern geworden sind, macht sich indessen keine Sorgen. „Musik und das Bloggen sind die einzigen Ausdrucksformen, die unsere Jugend hat. Insbesondere Rap ist inzwischen wahnsinnig populär, da man gar nicht musikalisch sein muss, um sich den Frust von der Seele zu schimpfen. All dies wird in dieser Generation großen Einfluss auf den Begriff von Öffentlichkeit haben, da die Musiker schon heute als deren Sprachrohr fungieren. Ich bin daher zuversichtlich, dass man schon bald bedeutsamere und weitaus rebellischere Musik aus Iran hören wird.“ Wie man die macht - das hat Sobhani seinen Nachfolgern im Teheraner Untergrund schon mal gezeigt.
Arash Sobhani ist eigentlich Architekt. Dass der Siebenunddreißigjährige im Nebenberuf zum derzeit einflussreichsten iranischen Rockmusiker werden konnte, verdankt er seiner Auswanderung nach Kalifornien und den Medien in der Neuen Welt: Das noch in Teheran aufgenommene Debüt seiner Band Kiosk war 2005 das erste Album aus dem iranischen Untergrund, das bei iTunes zu haben war; das zweite Album führt nun seit Monaten die persischen Verkaufscharts im Internet an. Die amerikanischen Konzerte der Band sind ausverkauft - es gibt eine große iranische Diaspora in den Staaten -, die Klicks bei YouTube werden bald die Millionenschwelle überschreiten, und neulich wurde der scharfzüngige Liedermacher sogar nach Stanford geladen, um einen Vortrag zu halten. Thema: Underground-Musik in Iran.
Zwei Jahrzehnte war Sobhani im Teheraner Untergrund aktiv. Zwischen 1980 und 1988, den Jahren des Krieges gegen den Irak, stand das öffentliche Musikleben still. Nicht nur die Teheraner Symphoniker lösten sich auf, selbst traditionelle persische Musik durfte kaum gespielt werden. Doch indem der Klerus Musik zu Teufelswerk erklärte, trieb er die junge Generation in die verbotenen Klangparadiese des Westens. „Als wir 1987 die Band Tatar2 gründeten, gab es kaum Bands. Entsprechend oft wurde ich von den Revolutionswächtern angehalten, weil ich eine Gitarre trug. Es herrschte Krieg, Chomeini war noch am Leben und Iran eher wie ein kommunistisches Land. Es gab natürlich kein Gesetz, das verbot, öffentlich Gitarren zu tragen. Aber die politische Atmosphäre vermittelte einem durchaus das Gefühl, etwas Falsches zu tun.“
„Musik war das Einzige, das vergessen machte, was man täglich erlebte“
Tatar2 machten englischsprachige Protestsongs, die sie bei Hauskonzerten Freunden vorspielten. Bob Dylan und Pink Floyd waren ihre Helden. „Musik war wie Morphium für uns. Wir hassten die Eindringlinge und wollten unser Land verteidigen. Doch zugleich wurden wir - die Mehrheit der Iraner - vom Regime unserer Rechte beraubt, gedemütigt oder gar getötet. Musik war das Einzige, das vergessen machte, was man täglich erlebte: einerseits den Krieg, andererseits die Zerstörung der Gesellschaft.“
Zum Thema
Zu Beginn der Ära des pragmatischen Präsidenten Rafsandschani traten die geburtenstarken, von der Make-Love-and-War-Bevölkerungspolitik des Revolutionsführers Chomeini hervorgebrachten Jahrgänge ins Bewusstsein der Machthaber. Als die Kinder der Revolution nach dem Krieg zu Teenies heranwuchsen, habe die Islamische Republik begriffen, dass sie diesen ein Minimum an Freiheit zugestehen müsse, analysiert Sobhani die Situation um 1990. So begann ein bis heute anhaltender Prozess der politisch kontrollierten Reintegration der Musik ins tägliche Leben einer Bevölkerung, die heute im Durchschnitt vierundzwanzig Jahre jung und dementsprechend musikhungrig ist.
Vor zehn Jahren schossen die Bands wie Pilze aus dem Boden
Für Musiker wie Arash Sobhani hingegen begann der Kampf mit der Zensur. Mitte der neunziger Jahre fing er an, Texte auf Farsi zu schreiben. Er habe versucht, so konservativ wie möglich zu klingen, um mit seiner damaligen Band Raaz-e Shab (Rätsel der Nacht) ein Rock-Album aufnehmen und veröffentlichen zu dürfen. „Ursprünglich wollten wir uns Esm-e Shab (Name der Nacht) nennen, doch das war ein militärisches Codewort. Also mussten wir uns umbenennen. Nach der langwierigen Zensur jeder zweiten Textzeile brauchten wir schließlich nur noch einige Leute im Erschad-Ministerium, dem Ministerium für Kultur und islamische Führung, zu bestechen, um die Veröffentlichungserlaubnis zu erhalten.“
In der Amtszeit des Reformers Chatami schossen die Bands ab 1997 wie Pilze aus dem Boden. Raaz-e Shab zählten zu den Pionieren einer aufblühenden Musikszene und konnten als Erste größere Konzerte vor Tausenden von Zuhörern geben. „Ich erinnere mich an einen Gig, den wir nach den Studentenunruhen vom Sommer 1999 an der Amir-Kabir-Universität hatten. Da konnte ich förmlich sehen, wie aufmerksam die Studenten unseren Texten lauschten. Sie suchten nach dem Rock-Element darin, das sie zum Schreien und Protestieren animiert. Aber die Zensur hatte fast alles weichgespült.“
Wie so vielen Iranern ist auch Sobhani noch immer die Enttäuschung über jenen Mann anzumerken, für den siebzig Prozent der Wähler stimmten, weil er mehr Demokratie versprochen hatte. „Wir brauchten alle eine gewisse Zeit, um zu begreifen, dass die Reformer bloß eine Art demokratische Fata Morgana waren. Anfangs dachten wir, es würde nur noch zwei Jahre dauern, bis wir endlich alles singen können.“ Länger wollte der Sänger und Gitarrist nicht warten. Noch während der Aufnahmen zum zweiten Album von Raaz-e Shab stellte er die Selbstzensur ein und begann, an jenen politischen Liedern zu feilen, für die Kiosk heute berühmt ist. „Ich hatte das Gefühl, endlich die Formel gefunden zu haben, um Farsi mit Rockmusik zu kombinieren. Ich wollte über gesellschaftliche Themen singen und unabhängig von der Mafia in der Musikindustrie sein.“
Zwischen Sakro-Pop und Dancefloor schmachtende Gruppen werden protegiert
Die Günstlinge der üblichen Vetternwirtschaft in der Musikindustrie kennt heute jedes iranische Großstadtkind: in Gestalt verkitschter, zwischen Sakro-Pop und Dancefloor schmachtender Gruppen wie Arian oder Pesaran-e Aftab (Söhne der Sonne). Von Genehmigungen bis hin zu Sendezeit im staatlichen Rundfunk werde solchen Bands alles zugeschoben, erläutert Sobhani. „Die CDs solcher Gruppen werden schnell und flächendeckend vertrieben, so dass man ihre Musik in den entlegensten Landesteilen kauft, während andere Platten selbst in Teheran schwer zu finden sind. Sie werden so protegiert, dass sie in den frommsten Käffern auftreten können.“
In der Tat: Kaum eine Gruppe ist so populär bei Teenagern wie die sechs Jungs und drei Mädels von Arian, die im Jahre 2000 als erste Musikanten seit der Revolution gemeinsam mit dem anderen Geschlecht auf der Bühne stehen durften, wobei weiblicher Sologesang nach wie vor tabu ist. Und wenn Chris de Burgh im Sommer tatsächlich als erster westlicher Rockstar in Iran auftreten wird, wie die Agentur Fars kürzlich meldete, dann wird Arian das Vorprogramm gestalten. Denn der in Iran beliebte irische Troubadix kommt auf Einladung des einflussreichen Managements der Band.
Jeder, der etwas auf seinen Musikgeschmack hält, hört Musik aus dem Exil
Die Existenz selbst solcher Gruppen und Events wäre freilich vor zehn Jahren noch unvorstellbar gewesen. Aber die Einsicht, nicht wirksam eindämmen zu können, was per Satellit oder Internet auf die Bildschirme gelangt, hat das Regime veranlasst, mediale Gegenspieler aufzubauen. Nicht nur gegen den erotomanen Schmalz-Pop aus Los Angeles, wo über 600.000 Iraner in „TehrAngeles“ leben und auf manchen Satellitensendern die Entwicklungspotentiale eines schlechten persischen Geschmacks erkundet werden, sondern auch und gerade gegen die Protagonisten der iranischen Untergrundszene.
Babak Khiavchi hat 2005 das Label Bamahang in Kanada gegründet, um dieser Szene als Plattform zu dienen. „Musik“, so erläutert er diplomatisch, „besitzt eine enorme Macht, soziale und kulturelle Botschaften zu senden. Der Pop aus L.A. hat diese Potentiale jahrelang dem Massengeschmack und dem Geld geopfert.“ Es fällt auf, dass Khiavchi nicht von politischen Botschaften spricht. Wer die Stars des Untergrunds veröffentlicht, der muss vermutlich auch etwas leiser treten. Einige der Künstler, die er unter Vertrag hat, leben wie das populäre Trio Sarakhs nach wie vor in Iran. Andere wie die lyrischen Altmeister O-Hum, Sobhanis Kiosk oder die hochbegabten Reggae-Gören von Abjeez operieren inzwischen von Europa und den Vereinigten Staaten aus. In Iran kennt und hört sie dennoch jeder, der etwas auf seinen Musikgeschmack hält.
„Musik und Bloggen sind die einzigen Ausdrucksformen, die unsere Jugend hat“
„Wir erhalten täglich Demos von iranischen Bands“, berichtet Khiavchi erfreut und besorgt zugleich: „Aber wenn wir eine musikalische Identität gewinnen wollen, dann brauchen wir unverwechselbare persische Elemente in unserer Musik. Die iranische Staatsbürgerschaft der Künstler reicht nicht aus.“ In dasselbe Horn stoßen auch renommierte Online-Magazine wie „Zirzamin“ oder „TehranAvenue“. Dessen jährlicher virtueller Musikwettbewerb ist zu einem Forum des Untergrunds geworden. Dort war jüngst zu lesen, dass „englische Texte noch keine innovative Musik machen“ und die iranische Alltagsrealität „am besten durch die persische Sprache reflektiert“ werde. Das ist vermutlich richtig; den Hunger nach Anerkennung jenseits der persischsprechenden Community stillt es nicht.
Arash Sobhani, dessen diagnostische, sämtliche Register des Persischen nutzenden Texte für viele zum Leitstern geworden sind, macht sich indessen keine Sorgen. „Musik und das Bloggen sind die einzigen Ausdrucksformen, die unsere Jugend hat. Insbesondere Rap ist inzwischen wahnsinnig populär, da man gar nicht musikalisch sein muss, um sich den Frust von der Seele zu schimpfen. All dies wird in dieser Generation großen Einfluss auf den Begriff von Öffentlichkeit haben, da die Musiker schon heute als deren Sprachrohr fungieren. Ich bin daher zuversichtlich, dass man schon bald bedeutsamere und weitaus rebellischere Musik aus Iran hören wird.“ Wie man die macht - das hat Sobhani seinen Nachfolgern im Teheraner Untergrund schon mal gezeigt.
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